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Jonas Predigt und Ninives Buße

von Felipe Blanco Wißmann (64354 Reinheim)

Predigtdatum : 09.06.2024
Lesereihe : VI
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Epheser 2,(11-16)17-22
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Wochenspruch: "Christus spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken." (Matthäus 11,28)

Psalm: 36,6–10 (EG 719)

Predigtreihen

Reihe I: Jesaja 55,1-5
Reihe II: Matthäus 11,25-30
Reihe III: 1. Korinther 14,1-12(23-25)
Reihe IV: Jona 3,1-10
Reihe V: Lukas 14,(15)16-24
Reihe VI: Epheser 2,(11-16)17-22

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 262 Sonne der Gerechtigkeit
Wochenlied: EG 213 Kommt her, ihr seid geladen oder EG 225 Komm, sag es allen weiter
Predigtlied: EG 293 Lobt Gott den Herrn
Schlusslied: EG 295 Wohl denen, die da wandeln

Predigttext: Epheser 2,(11-16)17-22

(11 Darum denkt daran, dass ihr, die ihr einst nach dem Fleisch Heiden wart und »Unbeschnittenheit« genannt wurdet von denen, die genannt sind »Beschneidung«, die am Fleisch mit der Hand geschieht, 12 dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels und den Bundesschlüssen der Verheißung fremd; daher hattet ihr keine Hoffnung und wart ohne Gott in der Welt. 13 Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst fern wart, nahe geworden durch das Blut Christi. 14 Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht hat und hat den Zaun abgebrochen, der dazwischen war, indem er durch sein Fleisch die Feindschaft wegnahm. 15 Er hat das Gesetz, das in Gebote gefasst war, abgetan, damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden mache 16 und die beiden versöhne mit Gott in einem Leib durch das Kreuz, indem er die Feindschaft tötete durch sich selbst.)

17 Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. 18 Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater. 19 So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, 20 erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, 21 auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.

Hinführung

Die Predigt greift das Bild des „Zauns“ aus V.14 auf; die laut Perikopenordnung optionalen (eingeklammerten) Verse des Bibeltextes sind also mitzulesen. Was den „Zaun“ zwischen Juden und „Heiden“ in der Zeit des Römischen Reiches ausmachte, darüber lassen sich gute Erklärungen mit Quellenangaben finden in: Das Neue Testament - jüdisch erklärt, Stuttgart 2021, 419. Ausgehend davon fragt die Predigt danach, wo heute Zäune zwischen Menschen in die Höhe wachsen. 

Predigt

Liebe Gemeinde!

Er mochte sie immer gern, diese kurzen Gespräche am Gartenzaun. Die ergaben sich immer wieder auch spontan, gerade in der wärmeren Jahreszeit. Warum auch nicht – er und der Nachbar verstanden sich ja immer gut. Mehr noch: Sie hatten viel gemeinsam. Die Häuser hatten sie damals fast gleichzeitig gebaut und dann bezogen. So etwas verbindet. Und dann hatten sie über die Jahre immer viel miteinander zu tun. Man half sich gegenseitig, wenn etwas zu erledigen war. Und die Kinder waren im gleichen Alter. Die wurden erst vor kurzer Zeit gemeinsam konfirmiert. Beide Männer waren auch engagiert in den Vereinen vor Ort. Manchen gegenseitigen Besuch gab es, auch gemeinsame Grillabende mit den Familien, diesseits oder jenseits des Zauns. 

Aber in letzter Zeit war die Stimmung irgendwie anders. Oder genauer: Sie kippte immer wieder bei einzelnen Punkten. Dann wurde es laut – und das Vertraute wurde fremd. Und eigentlich waren es immer dieselben Punkte. Es ging um die Themen, über die sich scheinbar alle aufregten im Land: Die Heizung im Keller. Gendergerechte Sprache. Umweltschutz. Flüchtlinge. Die Regierung.

Und so war ein Schatten über diese kurzen Gespräche am Gartenzaun gefallen. Es kam ihm vor, als würde der Zaun plötzlich riesig groß werden, in die Höhe wachsen. Aber wer war es eigentlich, der diesen Zaun groß machte? War er es oder der Nachbar, oder beide? Dabei wohnten da doch vernünftige Menschen auf beiden Seiten des Zauns, davon war er schon noch überzeugt, nach allem, was man gemeinsam erlebt hatte. Und trotzdem, plötzlich: Ein großer Abstand. Spannungen. Ja, man könnte fast schon sagen: Feindschaft. Jedenfalls für den Moment, an diesen Punkten des Gesprächs. Davor – und auch einige Zeit danach schien wieder alles wie früher zu sein.

Liebe Gemeinde!

In einer Welt voller Spannungen wurde der Epheserbrief geschrieben. Es geht um Juden und um Heiden, zur Zeit des Römischen Reiches. Mit dem Wort „Heiden“ sind erst einmal Menschen gemeint, die nicht zur jüdischen Religion gehören. Die beiden Gruppen hatten im Alltag viel Berührungspunkte. Sie begegneten sich in den Städten in der Mittelmeerregion damals, hatten manches gemeinsam. Engagierten sich vielleicht für die Stadt. Es gab ein Miteinander, es gab gemeinsame Geschäfte. Und doch gab es auch einen Abstand. Insbesondere die Speisegebote der jüdischen Tora sorgten für eine solche Trennung. Wie ein Zaun. Ja, und manchmal war es, als würde der Zaun plötzlich riesig groß werden, in die Höhe wachsen. Dann schlug die Trennung in Feindschaft um, an einzelnen Stellen. Gegenseitige Ablehnung, Vorurteile, die wurden dann sichtbar. In den antiken Quellen wird darüber berichtet, dass manche Römer schlimmste Vorwürfe gegen jüdische Zeitgenossen erhoben.

Juden, die an Jesus glaubten, trafen in den christlichen Gemeinden auf Heiden, die christlich geworden waren. An diese Heiden wird hier geschrieben. In dicht gedrängter Sprache sagt der Briefeschreiber, was ihm wichtig ist: Christus ist unser Frieden. Er hat aus beiden Gruppen eins gemacht. Wenn die jüdischen Menschen, die an Jesus glauben, nach besonderen Sitten leben wollen, ist das in Ordnung. Und es soll deswegen keine Feindschaft geben. Denn Jesus hat den Zaun abgebrochen.

Liebe Gemeinde!

Jesus hat den Zaun abgebrochen. Damit kann ich etwas anfangen. So muss es wohl gewesen sein. So lese ich es jedenfalls in den Evangelien.

Grenzen und Zäune hat er auf jeden Fall nicht einfach so gelten lassen, sondern ist auf die Menschen zugegangen. Die, mit denen Jesus sich an einen Tisch gesetzt hat, die waren in den Augen mancher Zeitgenossen Ausgestoßene. Kein Platz für sie in der Gesellschaft. Kein Platz für sie in Gottes Reich.
Jesus aber hat es anders gesehen. Wollte dafür einstehen, mit seinem Leben und mit seinem Tod.
Wollte einstehen für offene Arme und offene Herzen.

Er hat gesagt: „Lasst die Kinder zu mir kommen.“
Und: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid.“ 
Und: Selig sind diejenigen, die von so vielen übergangen oder belächelt werden. Die Barmherzigen und Friedensstifter. Die Verfolgten und Verachteten. Die Abgeschriebenen und an den Rand gedrängten.

Und vor die Versöhnung mit Gott setzt Jesus die Versöhnung mit den Mitmenschen:
„Wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe.“

Liebe Gemeinde!

Niemand soll ein Fremder bleiben im Haus der Kirche. 
Und niemand soll einfach bloß ein Gast sein. Gast sein ist zwar nichts Schlechtes, für einige Tage jedenfalls. Aber als Gast hat man eben kein Hausrecht.

„So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“.

Mit kräftigen Worten erzählt der Epheserbrief davon, wie Menschen miteinander versöhnt werden – und dann auch mit Gott. Indem man sich endlich wieder darauf besinnt, was man gemeinsam hat. Man lebt zusammen. Man hat vielleicht auch gemeinsame Hoffnungen und Wünsche. Man hat gemeinsam Verantwortung für das Gemeinwesen. Alle sollen willkommen sein, auch die, die anders sind, die anders leben wollen. 

Eine wichtige Botschaft für die Kirche auch heute noch, finde ich. Denn in der Geschichte wurde das viel zu oft anders gehandhabt. Nach dem Motto: „Mit deinem Lebenswandel bist du hier nicht willkommen“. Aber wer entscheidet das, wer willkommen ist in Gottes Nähe? Ich jedenfalls will das nicht entscheiden, ich will und kann Gottes Liebe nicht begrenzen. Sondern ich will weitersagen, will weiter glauben, dass aus Fremden Freunde werden können.

Liebe Gemeinde!

Was bleibt von dieser guten Botschaft der Versöhnung? Angesichts der Realitäten in der heutigen Welt erscheint das alles sehr utopisch. Also: Alles nur ein frommer Wunsch?

Wenn ich durch die große Stadt gehe, komme ich an der Synagoge vorbei. Nicht nur ein Zaun umgibt sie. Nein, es ist schon eine massive, hohe Mauer. Ein Polizeiwagen steht ständig davor. 
Gerade in letzter Zeit fühlen sich die jüdischen Frauen und Männer in Deutschland wohl manches Mal eher wie Gäste, wie Fremdlinge gar behandelt. Erfahren sie wieder viel Gleichgültigkeit, Kälte. Ja, sogar: Feindschaft. Beschimpft werden sie, für alles mögliche verantwortlich gemacht. Für den Krieg in Gaza, für vieles andere noch.

Ich kenne manche der Menschen in der jüdischen Gemeinde. Ich weiß, wieviel wir gemeinsam haben. Sie engagieren sich in der Stadt, sie sind getragen von Hoffnung und einem Glauben an eine bessere Zukunft, sie beten und arbeiten für den Frieden. Sie sind Mitbürgerinnen und Mitbürger im besten Sinne des Wortes.
Sie reichen anderen weiterhin die Hand, wollen ihr Haus öffnen, suchen in uns Hausgenossen.

Und ich, ich will meine Hand auch reichen. Wir gehören zusammen.

Liebe Gemeinde!

So viele Zäune gibt es um uns herum. Manche kann man anfassen, manche sind nur geistiger Natur. Und doch werden sie manchmal riesig groß, wachsen in den Himmel. Zäune zwischen Nachbarn. Zwischen verschiedenen Gruppen in unserem Land – und zwischen den Ländern dieser Welt, in der wir gemeinsam leben.

„Christus ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht hat und hat den Zaun abgebrochen, der dazwischen war, indem er durch sein Fleisch die Feindschaft wegnahm“.

Jesus hat in seinem Leben Grenzen überschritten, Zäune überwunden. Er helfe uns Christinnen und Christen dazu, dass wir ihm gerade darin auch wirklich nachfolgen, dass wir uns an diesem Punkt ein Beispiel an ihm nehmen. Ich glaube, die Welt wartet sehr darauf.

Amen.

Verfasser: Pfarrer Dr. Felipe Blanco Wißmann, Erlenweg 10, 64354 Reinheim


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